MENSCHEN mit ZIVILCOURAGEMatthias Pellinger Mein Vater ist am 20. November 2022, mit 93 Jahren zuhause gestorben. Matthias Pellinger war ein „einfacher“ Mensch, der aber sehr viel Gespür hatte, was dem Leben dient und wo Leben bedroht wird. „Matzi“ war 1929 als Donauschwabe in Rumänien geboren. Im November 1944 musste er vor den Russen fliehen. In Niederösterreich wurde er als 15 jähriger noch zur Hitlerjugend eingezogen, in die Kaserne in Lunz am See. Er musste seinen letzten Speck aus dem Spind hergeben. Dann hänselte man ihn, weil er den donauschwäbischen Dialekt sprach. Er sollte vortreten und „das“ nochmal sagen. Daraufhin beschloss er zu schweigen oder erst recht in seinem donauschwäbischen Dialekt zu reden. Und er beschloss zu desertieren. Ein Augenblick der Entscheidung Im Morgengrauen fuhr seine Truppe zum Bahnhof Waidhofen an der Ybbs, man wechselte von Schmalspurbahn auf die normalen Gleise. Der Offizier schrie vorher: „Und wer davonläuft, den erschieß ich.“ Und schoss dreimal in die Luft. Vatis Zug am Bahnhof fuhr gerade langsam aus, als am Nebengleis ein Kohlentransportzug langsam einfuhr. Ein Augenblick der Entscheidung – auf Leben oder Tod. Vati sprang von seinem Zug auf den Kohlenwaggon, versteckte sich hinter dem Kohlenhaufen. Der Offizier schoss hinterher, und schrie zum Lokführer “stopp stopp“ aber der Zug hatte „grün“ und fuhr weiter. Gerettet. Diese Geschichte hat uns Vati oft erzählt. Er hat seine Enkerl geprägt, hat sich in seinem Leben auf seine Art gesprochen und gehandelt, wenn es wo „ungerecht“ zuging. Noch als 90 jähriger hat er es genossen, mit seinem Schild „Opa für die Zukunft seiner Enkerl“ auf Klimademos zu gehen, wie hier am Bild in Enns am Hauptplatz. Reinhilde Spiekermann, Tochter von Matthias Pellinger